Gefahrstoffe kommen in fast allen Betrieben vor. Wie der Name besagt, handelt es sich dabei um Stoffe, die in irgendeiner Form gefährlich für den Menschen, aber auch für die Umwelt sein können. Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) definiert sie wie folgt: „Gefahrstoffe sind Stoffe, Gemische oder Erzeugnisse mit gefährlichen Eigenschaften. Sie können akute oder chronische gesundheitliche Schäden beim Menschen verursachen, entzündlich, explosionsgefährlich oder gefährlich für die Umwelt sein. Zu den Gefahrstoffen zählen nicht nur Chemikalien, sondern auch Holzstaub, Ottokraftstoff, Dieselmotoremissionen, Schweißrauche, Ozon, Narkosegase usw.“ Der richtige Umgang mit Gefahrstoffen ist deshalb enorm wichtig. Ebenso wichtig ist es zu wissen, welche Stoffe im Betrieb überhaupt zu den Gefahrstoffen zählen.
Eine der zentralen Grundlagen über Tätigkeiten mit Gefahrstoffen sowie ihre arbeitsschutzrechtlichen Konsequenzen ist die Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen, kurz: Gefahrstoffverordnung (GefStoffV). Bereits seit längerem ist eine Novellierung dieser Verordnung geplant, doch im Juni 2024 befindet sich die Umsetzung im Gesetzgebungsverfahren noch immer auf dem Stand eines aktualisierten Referentenentwurfs vom 3. März 2023. Diesem ist zu entnehmen, dass der Schwerpunkt der Änderung auf der Verbesserung der Prävention arbeitsbedingter Krebserkrankungen liegt. Bis zur endgültigen Veröffentlichung der Novelle im Bundesgesetzblatt gilt jedoch weiterhin die Fassung vom 26. November 2010 einschließlich ihrer Änderungen. Die letzte datiert vom 21. Juli 2021.
Die Gefahrstoffverordnung definiert in §3 die möglichen Arten der Gefährdungen durch „Stoffe, Gemische und Erzeugnisse“ und bezieht sich hierbei auf die Verordnung (EG) Nr. 1272/2008, die die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen regelt. Hier werden physikalische Gefahren, Gesundheitsgefahren, Umwelt- und weitere Gefahren unterschieden. Zu den physikalischen Gefahren gehören beispielsweise entzündbare Gase, Flüssigkeiten oder Feststoffe, selbsterhitzungsfähige Stoffe und Gemische sowie Aerosole und oxidierende Flüssigkeiten und Feststoffe. Zu den Gesundheitsgefahren zählen unter anderem akute Toxizität, Ätz- oder Reizwirkung, schwere Augenschädigung, Keimzellmutagenität, Karzinogenität und Reproduktionstoxizität. Alle Gefahrstoffe müssen daher hinsichtlich ihrer möglichen Auswirkungen eindeutig und sichtbar mit entsprechenden Piktogrammen gekennzeichnet werden.
Abschnitt 3 der Gefahrstoffverordnung, beginnen mit §6, regelt die arbeitsschutzrechtlichen Pflichten des Arbeitgebers, wenn im Betrieb Gefahrstoffe vorkommen. Auch hier basieren die Maßnahmen zum Schutz von Mensch und Umwelt gemäß §6 Absatz 1 auf einer Gefährdungsbeurteilung, die ein hohes Maß an Komplexität beinhaltet und zahlreiche Informationen bezüglich der verwendeten Stoffe erfordert. Wie im Arbeitsschutz üblich, aber in §6 Absatz 1 Nummer 4 der Gefahrstoffverordnung explizit benannt, soll vor allem eine Möglichkeit der Substitution der verwendeten Stoffe geprüft werden. Pech, wenn auch der neue Stoff später „auf dem Index“ landet, wie es mit 1-Ethyl-2-pyrrolidon (NEP) passierte, den man ersatzweise für den reproduktionstoxischen Stoff 1-Methyl-2-pyrrolidon (NMP) herangezogen hatte: Er wurde 2014 ebenfalls als reproduktionstoxisch eingestuft, da er Schädigungen des Kindes im Mutterleib hervorrufen könnte. Für die Substitution sind grundsätzlich die Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) der Reihe 600 ausschlaggebend.
Die TRGS stellen eine detaillierte Handlungshilfe beim richtigen Umgang mit Gefahrstoffen dar. Sie behandeln neben der Substitution auch das Inverkehrbringen von Stoffen, Zubereitungen und Erzeugnissen (Reihe 200), die Gefährdungsbeurteilung (Reihe 400), die Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen (Reihe 500), den Brand- und Explosionsschutz (Reihen 700 und 800) sowie Grenzwerte, Einstufungen, Begründungen und weitere Beschlüsse des Ausschusses für Gefahrstoffe (Reihe 900). Insbesondere die TRGS der 900-er Reihe werden regelmäßig aktualisiert und müssen durch die Verantwortlichen in den Betrieben laufend im Blick behalten werden.
Diese Verantwortlichen müssen nicht unbedingt einen speziellen Titel besitzen. Nach §6 Absatz 11 der Gefahrstoffverordnung darf die Gefährdungsbeurteilung – und damit auch die Ableitung und Überprüfung der entsprechenden Schutzmaßnahmen – „nur von fachkundigen Personen durchgeführt werden. Verfügt der Arbeitgeber nicht selbst über die entsprechenden Kenntnisse, so hat er sich fachkundig beraten zu lassen. Fachkundig können insbesondere die Fachkraft für Arbeitssicherheit und die Betriebsärztin oder der Betriebsarzt sein.“ Der Ausschuss für Gefahrstoffe hat in diesem Zusammenhang im November 2016 klargestellt, dass die gesetzlich geforderte Fachkunde dabei im Wesentlichen folgende Komponenten umfasse: „eine geeignete Berufsausbildung oder eine entsprechende Berufserfahrung oder eine zeitnah ausgeübte entsprechende berufliche Tätigkeit und Kompetenz im Arbeitsschutz, die Kenntnisse und Fähigkeiten umfasst.“ Darüber hinaus verlange die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung „mindestens Kenntnisse zu den für die Beurteilung notwendigen Informationsquellen nach TRGS 400, zu den verwendeten Gefahrstoffen und ihren gefährlichen Eigenschaften, zu den mit den Gefahrstoffen im Betrieb durchgeführten Tätigkeiten, zum Vorgehen bei der Beurteilung gesundheitlicher (inhalativ, dermal, oral) und physikalisch-chemischer Gefährdungen, zur Substitution gemäß TRGS 600, zu technischen, organisatorischen und personenbezogenen Schutzmaßnahmen, zur Kontrolle der Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen und zur Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung.“
Diese Kenntnisse könnten durch Teilnahme an spezifischen Fortbildungsmaßnahmen erworben werden und sie müssten nicht in einer Person vereinigt sein. Allerdings sagt der Ausschuss für Gefahrstoffe ganz deutlich zu den Fachkunde-Fortbildungsveranstaltungen: „Allein durch die Teilnahme an derartigen Kursen kann nicht die erforderliche Fachkunde erworben werden. Die Veranstalter können den Teilnehmern daher auch nicht die Erlangung der Fachkunde gemäß GefStoffVʼ bescheinigen. Fachkunde-Fortbildungsveranstaltungen können aber zur Vervollständigung der Fachkunde (und zu deren Auffrischung) beitragen, sofern die oben beschriebenen Kenntnisse vermittelt werden.“ Eine gesetzliche Pflicht zur Benennung eines sogenannten „Gefahrstoffbeauftragten“ bestehe übrigens nicht, obwohl eine solche Qualifikation von einigen privatwirtschaftlichen Institutionen angeboten wird.
Der richtige Umgang mit Gefahrstoffen setzt neben der Fachkunde und das Wissen um die verwendeten Stoffe und deren mögliche Auswirkungen auch einen guten Überblick über die unterschiedlichen Rechtsgrundlagen, Informationsquellen und Handlungshilfen voraus. Neben den TRGS sind hier insbesondere die Publikationen der DGUV zu nennen, etwa die DGUV Informationen 213-030 „Gefahrstoffe auf Bauhöfen im öffentlichen Dienst“, 213-032 „Gefahrstoffe im Krankenhaus“ und 213-034 „GHS – Global Harmonisiertes System zur Einstufung und Kennzeichnung von Gefahrstoffen“ oder die DGUV Regel 109-003 „Tätigkeiten mit Kühlschmierstoffen“. Aber auch das Chemikaliengesetz und die sogenannte REACH-Verordnung der EU Nr. 1907/2006 vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) spielen eine wichtige Rolle. Am Ende ist klar: Wenn im Namen schon die Gefahr enthalten ist, dann sollte damit sehr vorsichtig umgegangen werden – im Sinne der Beschäftigten und im Sinne der Umwelt.