Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. So steht es im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, genauer: in Artikel 2 Absatz 2 Satz 1. Das gilt natürlich auch bei der Arbeit. Deshalb müssen Arbeitgeber in Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen dafür sorgen, dass die physischen und psychischen Gesundheitsrisiken für ihre Beschäftigten systematisch minimiert werden. Wichtig zu wissen: Diese Verantwortung und die daraus resultierende Haftung kann man nicht delegieren. Die operative Umsetzung dagegen schon.
Die rechtlichen Grundlagen finden sich primär im „Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit“ (Arbeitsschutzgesetz – ArbSchG) sowie in den Vorschriften der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV).
Das Arbeitsschutzgesetz bildet seit seiner Einführung im Jahr 1996 die gesetzliche Grundlage für den betrieblichen Arbeitsschutz in Deutschland. Es verpflichtet Arbeitgeber in Paragraph 3 Absatz 1 zur Ergreifung aller erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes und in Paragraph 4 zur Organisation dieser Maßnahmen unter Berücksichtigung von Gefahrenvermeidung, Technikstand, Arbeitsorganisation und Einfluss physischer sowie psychischer Belastungen. Bereits in Paragraph 3 Absatz 3 wird deutlich darauf verwiesen, dass mit Arbeitsschutzmaßnahmen verbundene Kosten nicht auf die Beschäftigten umgelegt werden dürfen. Das betrifft in der Praxis insbesondere die Persönliche Schutzausrüstung (PSA), die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden muss.
Ein zentrales Element des Arbeitsschutzes ist die Gefährdungsbeurteilung gemäß Paragraph 5 Absatz 1: „Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind.“ Diese ist unabhängig von der Größe des Betriebs durchzuführen und bildet die Grundlage für alle weiteren Schutzmaßnahmen. Der Arbeitgeber hat nicht nur physikalische und chemische Gefährdungen, sondern auch psychische Belastungen systematisch zu ermitteln und zu bewerten. Daraus abgeleitete Maßnahmen sind gemäß Paragraph 6 ArbSchG zu dokumentieren und ihre Wirksamkeit regelmäßig zu überprüfen.
Ergänzend verpflichtet der Paragraph 12 des Arbeitsschutzgesetzes den Arbeitgeber zur Unterweisung der Beschäftigten hinsichtlich Sicherheit und Gesundheitsschutz – vor Aufnahme der Tätigkeit sowie bei wesentlichen Änderungen im Aufgabenbereich. Diese Unterweisungen müssen regelmäßig, mindestens jedoch jährlich erfolgen, dokumentiert und gegebenenfalls an neue Erkenntnisse angepasst werden.
Gefährdungsbeurteilung, Maßnahmenableitung, Dokumentation, Unterweisung – so lauten die stets wiederkehrenden Arbeitsschutzpflichten für jeden Arbeitgeber. Daneben hat ein Arbeitgeber nach Paragraph 10 dafür zu sorgen, dass „entsprechend der Art der Arbeitsstätte und der Tätigkeiten sowie der Zahl der Beschäftigten“ Maßnahmen getroffen werden, „die zur Ersten Hilfe, Brandbekämpfung und Evakuierung der Beschäftigten erforderlich sind. Dabei hat er der Anwesenheit anderer Personen Rechnung zu tragen. Er hat auch dafür zu sorgen, dass im Notfall die erforderlichen Verbindungen zu außerbetrieblichen Stellen, insbesondere in den Bereichen der Ersten Hilfe, der medizinischen Notversorgung, der Bergung und der Brandbekämpfung eingerichtet sind.“ Darüber hinaus muss er Mitarbeitende ernennen, die „die Aufgaben der Ersten Hilfe, Brandbekämpfung und Evakuierung der Beschäftigten übernehmen“ – die Ersthelfer, Brandschutzhelfer und Evakuierungshelfer. Und er muss den Beschäftigten nach Paragraph 11 des Arbeitsschutzgesetzes ermöglichen, sich entsprechend der Gefahrensituation im Betrieb regelmäßig arbeitsmedizinisch untersuchen zu lassen.
Das ist schon eine recht umfangreiche Liste an allgemeinen Anforderungen. Diese werden jedoch in weiteren Verordnungen und Regeln konkretisiert oder gar ergänzt, stellen aber nicht explizit Pflichten dar. Man kann, sozusagen, auch anders, muss jedoch nachweisen, dass die Präventionsziele trotzdem erreicht oder übertroffen werden. Die DGUV Vorschriften dagegen sind für alle Unternehmen verbindlich, die Mitglieder einer Berufsgenossenschaft oder eines Unfallversicherungsträgers sind. Besonders relevant sind hier:
· DGUV Vorschrift 1 „Grundsätze der Prävention“
Diese Vorschrift legt die allgemeinen Pflichten des Unternehmers fest, insbesondere hinsichtlich der Organisation des Arbeitsschutzes, der Auswahl und Bestellung von Fachkräften für Arbeitssicherheit und von Betriebsärzten.
· DGUV Vorschrift 2 „Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit“ Sie regelt die konkreten Einsatzzeiten und Aufgaben dieser Experten. Arbeitgeber müssen sicherstellen, dass sie in ausreichendem Maße auf die Expertise dieser Akteure zurückgreifen, insbesondere bei der Erstellung und Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung.
Ein weiterer Punkt betrifft die Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes gemäß der Paragraphen 2 bis 6 DGUV Vorschrift 1: Arbeitgeber sind verpflichtet, Strukturen zu schaffen, die die sichere Ausführung von Tätigkeiten dauerhaft gewährleisten. Hierzu zählt auch die Benennung von Sicherheitsbeauftragten nach Paragraph 20 in Betrieben mit regelmäßig mehr als 20 Beschäftigten. Nach dem erklärten Koalitionsziel in der laufenden Legislaturperiode, das Beauftragtenwesen zu verschlanken, bleibt abzuwarten, wie hier die weitere gesetzgebende Entwicklung verläuft. Dennoch muss der Arbeitgeber seine Arbeitsschutzorganisation wirksam aufstellen, das fordert ja bereits das Arbeitsschutzgesetz.
Die Vorschriften der DGUV stehen im Rahmen der sogenannten dualen Arbeitsschutzstruktur neben dem staatlichen Recht. Während das Arbeitsschutzgesetz vom Gesetzgeber verantwortet wird, handelt es sich bei den DGUV Vorschriften um autonomes Satzungsrecht der Unfallversicherungsträger. Bei Verstößen können deshalb Sanktionen durch die Aufsichtsdienste erfolgen, unabhängig von etwaigen Maßnahmen der staatlichen Arbeitsschutzbehörden – oder von der Justiz. Im Schadensfall kann es deshalb stets zu einer Mithaftung des Arbeitgebers führen, die auch strafrechtliche Konsequenzen beinhalten kann, etwa eine Anklage wegen fahrlässiger Körperverletzung oder gar Tötung.
Im Hinblick auf die Komplexität der Vorschriften und die damit einhergehenden Haftungsrisiken für Arbeitgeber scheint es zielführend zu sein, den betrieblichen Arbeitsschutz in die bereits bestehenden Managementsysteme zu integrieren. Die Einführung eines Arbeitsschutzmanagementsystems (AMS), beispielsweise nach ISO 45001 oder gemäß dem Leitfaden für Arbeitsschutzmanagementsysteme, der von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) zur Verfügung gestellt wird, kann die gesetzeskonforme Umsetzung der Anforderungen in vielen Fällen erleichtern.