Elektrosicherheit: Wie Stromunfälle vermieden werden können

Die Anzahl der gemeldeten meldepflichtigen und nicht meldepflichtigen Stromunfälle bei der Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM) hat im Jahr 2023 im Zehnjahresvergleich mit rund 4.500 einen traurigen Höhepunkt erreicht. Das waren etwa 50 Prozent mehr Unfälle als 2013. Obwohl die Anzahl der tödlichen Unfälle bei der Arbeit im Zuständigkeitsbereich der BG ETEM tendenziell rückläufig ist, stellt elektrischer Strom ein hohes Gefährdungspotenzial für alle Beschäftigten dar, nicht nur im Elektro-Gewerbe. Kein Wunder: Elektrischer Strom ist aus vielen Arbeitsprozessen nicht wegzudenken und die Gefährdungen entstehen nicht nur bei der Installation, sondern häufig auch bei der Wartung und im laufenden Betrieb. Arbeiten an elektrischen Anlagen und Betriebsmitteln dürfen daher ausschließlich von Elektrofachkräften vorgenommen werden.

 

An diese Elektrofachkräfte sowie an elektrotechnisch unterwiesene Beschäftigte richtet sich die DGUV Information 203-001 „Sicherheit bei Arbeiten an elektrischen Anlagen“. In ihrem Vorwort wird jedoch betont: „Allerdings sind auch nichtelektrotechnische Arbeiten notwendig, um die elektrische Energie zu den Verbrauchenden zu transportieren. Insbesondere Gefährdungen beim Umgang mit Werkzeugen und Geräten, Gefährdungen durch gleichzeitig arbeitende andere Gewerke oder unbekannte Gefährdungen in Fremdbetrieben sind hier besonders zu betrachten. Durch häufig wechselnde Arbeitsorte und häufig wechselnde Arbeitsbedingungen müssen umfangreiche Gefährdungsfaktoren berücksichtigt werden, um ein stets unfallfreies Arbeiten zu gewährleisten.“

 

Die DGUV Information 203-001 definiert darüber hinaus, was als Stromunfall zu betrachten ist und welche Folgen für den Menschen daraus entstehen können: „Ein Stromunfall ist eine Verletzung durch elektrischen Strom. Er wird meistens durch eine Körperdurchströmung verursacht, bei der ein Mensch selbst zum Teil eines Stromkreises wird und dadurch schwere Verletzungen bis hin zum Tod durch Herzrhythmusstörungen erleiden kann. Aber auch ohne direktes Berühren spannungsführender Teile kann es zu einem Stromunfall kommen, z. B. wenn beim Aufenthalt in der Nähe spannungsführender Teile ein Lichtbogenüberschlag stattfindet. Hier stehen Verbrennungsverletzungen im Vordergrund.“

 

Um diesen Verletzungen vorzubeugen, darf gemäß Paragraph 6 Absatz 1 der DGUV Vorschrift 3 „an unter Spannung stehenden aktiven Teilen elektrischer Anlagen und

Betriebsmittel“ grundsätzlich nicht gearbeitet werden und vor Beginn der Arbeiten muss „der spannungsfreie Zustand hergestellt und für die Dauer der Arbeiten sichergestellt werden“. Daher seien hier die sogenannten „Fünf Sicherheitsregeln“ zu beachten, die wiederum in der bereits erwähnten DGUV Information 203-001 näher erläutert werden:

 

  1. Freischalten:
    Freischalten ist das allseitige Ausschalten oder Abtrennen einer Anlage, eines Teils einer Anlage oder eines Betriebsmittels von allen nicht geerdeten Leitern. Hat die aufsichtführende oder die allein arbeitende Person nicht selbst freigeschaltet, dann muss die schriftliche, fernschriftliche, fernmündliche oder mündliche Bestätigung der Freischaltung abgewartet werden. Die Vereinbarung eines Zeitpunktes, ab dem die Anlage als freigeschaltet angesehen werden kann, ist nicht zulässig. Auf das Fest stellen der Spannungsfreiheit kann nicht verzichtet werden, auch wenn eine andere Person die vollzogene Freischaltung versichert.

 

  1. Gegen Wiedereinschalten sichern:
    Schwere Unfälle ereignen sich immer wieder durch irrtümliches Wiedereinschalten durch Dritte, wenn die Anlage, an der gearbeitet wird, unerwartet wieder unter Spannung steht. Daher sind alle Trenn- und Betätigungsvorrichtungen wie z. B. Schalter, Steuerorgane, Schaltknöpfe, Sicherungen, Leitungsschutzschalter, mit denen freigeschaltet wurde, gegen Wiedereinschalten zu sichern.

 

  1. Spannungsfreiheit feststellen
    Das Feststellen der Spannungsfreiheit ist unerlässlich und darf nur von einer Elektrofachkraft oder einer elektrotechnisch unterwiesenen Person mit dafür geeigneten Geräten und Einrichtungen vorgenommen werden.

 

  1. Erden und kurzschließen
    Das Erden und Kurzschließen der Anlagenteile, an denen gearbeitet werden soll, dient dem unmittelbaren Schutz aller dort Beschäftigten. Die zum Erden und Kurzschließen verwendete Vorrichtung muss stets zuerst mit der Erdungsanlage oder einem Erder und dann erst mit dem zu erdenden Anlagenteil verbunden werden, wenn nicht Erdung und Kurzschließung gleichzeitig, z. B. über einen Erdungsschalter, erfolgt. Die Arbeitsstelle muss so gesichert werden, dass sie sowohl gegen versehentliches Wiedereinschalten als auch gegen das Auftreten einer unzulässigen Beeinflussungsspannung geschützt ist.

 

  1. Benachbarte, unter Spannung stehende Teile abdecken oder abschranken
    Das Arbeiten in der Nähe unter Spannung stehender Teile soll möglichst vermieden werden; es ist immer zu prüfen, ob für die Dauer der Arbeiten nicht der spannungsfreie Zustand hergestellt werden kann. Ist dies nicht möglich, müssen die aktiven Teile für die Dauer der Arbeiten gegen Berührungen durch Personen oder mit Arbeitsmaterial abgedeckt oder abgeschrankt werden (§ 7 DGUV Vorschrift 3).

 

Nach dem Durchführen der fünf Sicherheitsregeln darf die Arbeitsstelle gemäß DGUV Information 203-001 „vom Arbeitsverantwortlichen nach Genehmigung durch den Anlagenverantwortlichen freigegeben werden.“ Weiter heißt es: „Obwohl im Regelwerk das Freigabeverfahren nicht in schriftlicher Form gefordert wird, wird empfohlen, das Verfahren zu dokumentieren. Diese Dokumentation gewährleistet das Entfernen aller Erdungs- und Kurzschließgarnituren nach Arbeitsende.“

 

Wenn der spannungsfreie Zustand jedoch „aus zwingenden Gründen“ nicht hergestellt werden kann und „durch die Art der Anlage“ eine Gefährdung nicht ohnehin ausgeschlossen ist, muss laut Paragraph 8 Nummer 2 DGUV Vorschrift 3 gewährleistet sein, dass „durch die Art der bei diesen Arbeiten verwendeten Hilfsmittel oder Werkzeuge eine Gefährdung durch Körperdurchströmung oder durch Lichtbogenbildung ausgeschlossen ist, der Unternehmer mit diesen Arbeiten nur Personen beauftragt, die für diese Arbeiten an unter Spannung stehenden aktiven Teilen fachlich geeignet sind, und der Unternehmer weitere technische, organisatorische und persönliche Sicherheitsmaßnahmen festlegt und durchführt (…).“

 

Die vorgestellten Regelungen behandeln explizit Arbeiten an elektrischen Anlagen und Betriebsmitteln, jedoch nicht die Nutzung derselben, etwa der elektrischen Bohrmaschine oder der durch den Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Kaffeemaschine im Büro. Um die operative Sicherheit dieser Anlagen und Betriebsmittel zu gewährleisten, verlangt Paragraph 5 Absatz 1 DGUV Vorschrift 3: „Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass die elektrischen Anlagen und Betriebsmittel auf ihren ordnungsgemäßen Zustand geprüft werden“, und zwar „vor der ersten Inbetriebnahme und nach einer Änderung oder Instandsetzung vor der Wiederinbetriebnahme durch eine Elektrofachkraft oder unter Leitung und Aufsicht einer Elektrofachkraft“ und das „in bestimmten Zeitabständen“. Dabei sind die Fristen „so zu bemessen, dass entstehende Mängel, mit denen gerechnet werden muss, rechtzeitig festgestellt werden.“

 

Diese Prüfung wird allgemein als „Prüfung nach DGUV Vorschrift 3“ bezeichnet und beinhaltet sämtliche elektronischen Geräte, Betriebsmittel und Anlagen, die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden – etwa auch diejenigen zu Hause im Rahmen der Telearbeit nach Paragraph 2 Absatz 7 Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV).

 

Allerdings kann gemäß Paragraph 5 Absatz 4 DGUV Vorschrift 3 von einer Prüfung vor der ersten Inbetriebnahme abgesehen werden, „wenn dem Unternehmer vom Hersteller oder Errichter bestätigt wird, dass die elektrischen Anlagen und Betriebsmittel den Bestimmungen dieser Unfallverhütungsvorschrift entsprechend beschaffen sind.“ Das erfolgt bei handelsüblichen elektrischen Betriebsmitteln üblicherweise über eine entsprechende Kennzeichnung auf dem Gerät, auf der Verpackung oder in der Betriebsanleitung. Es entbindet jedoch nicht vor der regelmäßig wiederkehrenden Prüfung, die je nach Art des Betriebsmittels in der Regel jährlich oder zweijährlich stattfindet.

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