Ergonomie in Produktion und Logistik

Wenn es darum geht, die Belastungen des Muskel-Skelett-Systems zu reduzieren, landet man meist irgendwann beim Wort „Ergonomie“. Laut dem Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) handelt es sich bei diesem Begriff um „ein Kunstwort aus den griechischen Wörtern „ergon“ (Arbeit) und „nomos“ (Lehre, Gesetz). Man versteht darunter die Lehre von der menschlichen Arbeit, das heißt der optimalen Anpassung der Arbeit an die Eigenschaften und Fähigkeiten des arbeitenden Menschen. Die Ergonomie verfolgt unter Berücksichtigung der Arbeitssicherheit die Ziele Humanität und Wirtschaftlichkeit (beispielsweise Arbeitsablaufoptimierung).“ Und: „Aspekte der ergonomischen Gestaltung von Arbeitsplätzen umfassen Umgebungsvariablen wie Klima (Licht, Strahlung, Temperatur), Farbgebung, Lärm, Vibrationen, die Körpermaße des Menschen (Anthropometrie) und physische und psychische Belastungen am Arbeitsplatz.“

 

Ergonomie ist ein tätigkeitsübergreifendes Thema, das je nach Setting unterschiedliche Schwerpunkte besitzt. Während bei der Büroarbeit beispielsweise mangelnde Bewegung, ungesunde Arbeitshaltungen oder schlechte Beleuchtung im Fokus stehen, geht es in der Pflege sowie in Produktion und Logistik im Wesentlichen darum, Überforderungen des Muskel-Skelett-Apparats zu vermeiden und potenzielle Ursachen zu minimieren oder durch Hilfsmittel zu reduzieren. Diese Überforderungen könnten aus übermäßigen Belastungen durch Heben, Tragen, Ziehen oder Schieben von Lasten, Arbeiten in Zwangshaltungen, repetitiven (sich ständig wiederholenden) Tätigkeiten sowie Arbeiten mit hohem Kraftaufwand resultieren, erklärt das IFA weiter.

 

Dadurch können Muskel-Skelett-Erkrankungen entstehen. Diese sind für fast ein Viertel aller Arbeitsunfähigkeitstage in Deutschland verantwortlich und stellen damit die häufigste Ursache für krankheitsbedingte Abwesenheiten und die damit verbundenen wirtschaftlichen und organisatorischen Folgen dar.

 

Heben, Tragen, Ziehen oder Schieben von Lasten, Arbeit in Zwangshaltungen, repetitive Tätigkeiten, Arbeit mit hohem Kraftaufwand: Das kommt in der Produktion und in der Logistik häufig vor. Laut einer Auswertung der DAK für das Jahr 2024 war der Krankenstand in der Branche Verkehr, Lagerei und Kurierdienste mit 6,0 Prozent im Auswertungszeitraum überdurchschnittlich hoch und die Muskel-Skelett-Erkrankungen hatten mit Sicherheit einen nicht unerheblichen Anteil daran. Daher sind Arbeitgeber gut beraten, in diesem Bereich Präventionsmaßnahmen zu entwickeln und diese dann auch umzusetzen. Eine Hilfestellung bietet beispielsweise die DGUV Information 208-033 „Muskel-Skelett-Belastungen – erkennen und beurteilen“ in ihrer aktualisierten Fassung vom Februar 2023 an. Hier wird an die Arbeitgeber appelliert, schon vor der Einrichtung und Inbetriebnahme von möglicherweise gefährdenden Arbeitsplätzen beispielsweise die Fachkraft für Arbeitssicherheit, den Betriebsarzt und die Mitarbeitenden mit ins Boot zu holen, damit eine spätere und gegebenenfalls kostenintensive Umgestaltung des Arbeitsplatzes vermieden wird. Falls es doch dazu kommt: „Bei der Umgestaltung von Arbeitsplätzen mit Gefährdungen für das Muskel-Skelett-System sollen technische Maßnahmen grundsätzlich Vorrang vor organisatorischen oder personenbezogenen Maßnahmen haben“, heißt es in der DGUV Information, die dazu einige Beispiele liefert: „Beispiele für T-Maßnahmen sind der Einsatz von Hebehilfen, um schwere Lasten aber auch Menschen nicht mehr manuell bewegen zu müssen, und der Einsatz von vibrationsarmen Werkzeugen, z.B. Bohrhämmer mit schwingungsgedämpften Griffen, um die Gefährdung durch Hand-Arm-Vibrationen zu minimieren.“

 

Bei den Beispielen für organisatorische Maßnahmen nennt die DGUV „die Verringerung des Lastgewichtes durch kleinere Gebinde, die Einführung einer belastungsorientierten Job-Rotation oder die Optimierung der Pausengestaltung.“ Persönliche Maßnahmen könnten „Persönliche Schutzausrüstung (PSA) wie Knieschutz, personengetragene Arbeitshilfsmittel wie Tragegurte, geeignete Arbeitsschuhe und Arbeitshandschuhe, die arbeitsmedizinische Vorsorge, die Unterweisung von Beschäftigten oder auch das Angebot einer Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF)“ sein.

 

Ein relativ neuer Player bei den „personengetragenen Arbeitshilfsmitteln“ ist das Exoskelett. „Exoskelette sind am Körper getragene technische Systeme, die mechanisch auf den Körper einwirken. Sie zielen darauf ab, die körperliche Belastung zu reduzieren. Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Exoskeletten, die sich durch das Antriebssystem unterscheiden – aktive und passive“, heißt es dazu bei der BG Bau. Bei den passiven Exoskeletten werde die für die Unterstützung notwendige Energie durch Federn oder elastische Bänder bereitgestellt. „Diese speichern bei bestimmten Bewegungen Energie, zum Beispiel beim nach unten bücken und geben sie in der Gegenbewegung wieder an den Nutzer ab (…).“ Aktive Exoskelette funktionieren dagegen „mit elektrischen oder pneumatischen Antrieben und unterliegen einer komplexen, automatisierten Steuerung. Eine Sensorik ermittelt kontinuierlich den Unterstützungsbedarf, der dann dynamisch durch den aktiven, krafterzeugenden Antrieb bedient wird.“ Diese Technologie ist im Einsatzbereich des Arbeitsschutzes noch recht am Anfang und man darf gespannt sein, inwieweit sie sich etablieren wird. Letztlich wird es von der Akzeptanz der Nutzenden abhängen.

 

Weitere Lösungsansätze zur Reduzierung von Belastungen für das menschliche Muskel-Skelett-System kann man mit unterschiedlichen Branchenbeispielen in der DGUV Information 208-053 „Mensch und Arbeitsplatz – Physische Belastungen“ finden. In dieser Publikation werden Wissen und Tipps vermittelt, wie man beispielsweise richtig hebt und trägt oder richtig zieht und schiebt. Es werden aber auch spezifische Tätigkeiten beleuchtet, wie etwa „Arbeiten im Knien oder Hocken“ oder „Arbeiten mit Händen über Schulterniveau“. Jede Umsetzung am Arbeitsplatz kann wertvoll sein – sowohl für die Gesundheit der Beschäftigten als auch für die Wirtschaftlichkeit des Betriebs.

unser Newsletter

Bleiben Sie informiert

Melden Sie sich jetzt für unseren ARBEITSSCHUTZ AKTUELL Newsletter an. Erhalten Sie regelmäßig Updates zu Veranstaltungen, Trends und Expertentipps im Bereich Arbeits- und Gesundheitsschutz. Verpassen Sie keine Neuigkeiten und gestalten Sie eine sichere und gesunde Arbeitswelt – direkt in Ihrem Posteingang!