Die meisten Unfälle passieren vielleicht zu Hause, sehr viele aber auch auf Baustellen. Laut der DGUV-Statistik zum Arbeitsunfallgeschehen 2023 ereigneten sich 15,3 Prozent aller meldepflichtigen Arbeitsunfälle auf einer Baustelle. Bei etwa einem Drittel der meldepflichtigen Unfälle hätten die Versicherten die Kontrolle über ein Werkzeug, einen Gegenstand oder eine Maschine verloren, berichtet die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, und „in etwa neun Prozent der Fälle kam es zu einem Absturz.“ Arbeitsunfälle auf Baustellen bilden darüber hinaus mit 28 Prozent einen enorm hohen Anteil bei den tödlichen Unfällen.
Dabei befasst sich mit der BG Bau eine ganze Berufsgenossenschaft ausschließlich mit dieser Thematik: Welche Gefährdungen können auf Baustellen vorkommen und wie kann man diese minimieren? Außerdem existiert ein umfassendes Regelwerk, das die Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeitenden auf Baustellen gewährleisten soll. Dabei ist insbesondere die Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz auf Baustellen, die Baustellenverordnung (BaustellV), sowie die ergänzenden Regeln zum Arbeitsschutz auf Baustellen (RAB) maßgeblich. In der Einleitung zur Baustellenverordnung heißt es, dass auch von den Bauherren ein Beitrag zu Sicherheit und Gesundheit eingefordert wird – und eben nicht nur von den Arbeitgebern der beteiligten Beschäftigten und von den Beschäftigten selbst. Dies betreffe vor allem die Beschaffung, Durchführung und Bereitstellung von Informationen für die für die sicherheits- und gesundheitsgerechte Planung und Durchführung von Bauvorhaben. „Die Baustellenverordnung gibt dabei die Rahmenbedingungen vor, unter denen sich die Interessen, Aufgaben und Kompetenzen aller Baubeteiligten kombinieren und ergänzen können. Die zugehörigen Regeln für Sicherheit und Gesundheitsschutz auf Baustellen geben Hinweise, wie diese Rahmenbedingungen in der Praxis einfach und effektiv ausgestalten werden können.“
Nach Paragraph 2 Absatz 3 der Baustellenverordnung muss bereits vor Errichtung der Baustelle ein Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan (SiGePlan) erstellt werden, falls auf einer Baustelle, auf der Beschäftigte mehrerer Arbeitgeber tätig werden, die voraussichtliche Dauer der Arbeiten mehr als 30 Arbeitstage beträgt und mehr als 20 Beschäftigte dort gleichzeitig arbeiten oder wenn der Umfang der Arbeiten voraussichtlich 500 Personentage überschreitet. Ein Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan muss auch erstellt werden, wenn Beschäftigte mehrerer Arbeitgeber tätig sind und dort besonders gefährliche Arbeiten ausgeführt werden. Diese besonders gefährlichen Arbeiten sind in Anhang II zur Baustellenverordnung abschließend aufgeführt.
In Paragraph 3 ist darüber hinaus geregelt, dass für Baustellen, auf denen Beschäftigte mehrerer Arbeitgeber tätig werden, „ein oder mehrere geeignete Koordinatoren zu bestellen“ sind. Die konkreten Aufgaben dieser Baustellenkoordinatoren sind in den Absätzen 2 und 3 beschrieben. So müssen sie beispielsweise während der Planungsphase des Bauvorhabens bereits den Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan ausarbeiten oder ausarbeiten lassen und während der Bauphase darauf achten, dass alle Arbeitgeber sowie die dort tätigen Unternehmer ohne Beschäftigte ihre Pflichten erfüllen, die sich aus der Baustellenverordnung ergeben, oder etwa die Zusammenarbeit der Arbeitgeber zu organisieren.
An dieser Stelle wird nun auch der Beitrag der Bauherren eingefordert, obwohl sie selbst gegebenenfalls gar keine Arbeitnehmenden auf der Baustelle beschäftigen und somit grundsätzlich diesbezüglich nicht in den Geltungsbereich des Arbeitsschutzgesetzes geraten würden. Denn Paragraph 4 schreibt vor, dass der Bauherr sich unter anderem sowohl um die Erstellung des Sicherheits- und Gesundheitskonzepts als auch um die Bestellung der Koordinatoren zu kümmern oder zumindest einen Dritten damit zu beauftragen hat. Wichtig ist, dass der Bauherr oder der von ihm beauftragte Dritte nach Paragraph 3 Absatz 1a nicht von ihrer Verantwortung entbunden werden, wenn sie die Koordinatoren beauftragt haben. Noch detaillierter wird hier die RAB 33 – Allgemeine Grundsätze nach § 4 des Arbeitsschutzgesetzes bei Anwendung der Baustellenverordnung: Sie regelt insbesondere in Punkt 5.1, durch welche Maßnahmen Bauherr und Koordinator die im ArbSchG formulierten Grundsätze berücksichtigen und koordinieren sollten.
Die Sicherheitskoordinatoren haben eine eigene Regel zum Arbeitsschutz auf Baustellen, die RAB 30 – Geeigneter Koordinator, die Paragraph 3 BaustellV konkretisiert. Die Aufgaben der Koordinatoren werden in Punkt 3 noch etwas differenzierter erläutert als in der Baustellenverordnung und in Punkt 4 sowie in den zugehörigen Anhängen wird erklärt, welche Kompetenzen für diese Tätigkeit notwendig sind: „Geeigneter Koordinator im Sinne der BaustellV ist, wer über ausreichende und einschlägige baufachliche Kenntnisse, arbeitsschutzfachliche Kenntnisse und Koordinatorenkenntnisse sowie berufliche Erfahrung in der Planung und/oder der Ausführung von Bauvorhaben verfügt, um die in § 3 Abs. 2 und 3 BaustellV genannten Aufgaben fachgerecht erledigen zu können.“ Wie diese Kenntnisse genau auszusehen haben, wird in den Anhängen A bis C erläutert, wie man sie nachweist in Punkt 5 der RAB 30. Über all diese spezifischen Kompetenzen hinaus sollen die Koordinatoren selbstverständlich eine entsprechende Motivation mitbringen, also unter anderem „bereit und in der Lage sein, sich für Sicherheit und Gesundheitsschutz auf Baustellen aktiv einzusetzen“.
Eine weitere Regel geht vertiefend auf den bereits erwähnten Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan ein, der nach Paragraph 2 Absatz 3 BaustellV unter bestimmten Voraussetzungen zu erstellen ist: die RAB 31 – Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan (SiGePlan). In Abschnitt 2 wird noch einmal übersichtlich tabellarisch aufgeführt, welche Voraussetzungen dafür ausschlaggebend sind, Abschnitt 3.2 regelt die inhaltlichen Mindestanforderungen. Werden diese erfüllt, ist man zumindest rechtlich auf der sicheren Seite, denn gemäß Punkt 3.1.6 werden die Vorgaben an den SiGePlan erfüllt, „wenn die in Ziffer 3.2 dieser RAB formulierten Mindestanforderungen berücksichtigt sind“. Im SiGePlan sollten demnach folgende Grundelemente formuliert sein: Arbeitsabläufe, Gefährdungen, räumliche und zeitliche Zuordnung der Arbeitsabläufe, Maßnahmen zur Vermeidung beziehungsweise Minimierung der Gefährdungen sowie Arbeitsschutzbestimmungen. Anhang A enthält einen praktischen Leitfaden, wie dieser zu erstellen ist. Dabei werden neben den Mindestanforderungen auch die Empfehlungen berücksichtigt, die in Nummer 3.3 der RAB 31 aufgeführt sind.
Eine Baustelle ist ein komplexer Organismus, in dem viele unterschiedliche Elemente im Zusammenspiel am Ende ein neues Ganzes ergeben. Ebenso komplex gestaltet sich auch der Arbeits- und Gesundheitsschutz auf der Baustelle. Die organisatorischen Rahmenbedingungen für einen wirksamen Arbeits- und Gesundheitsschutz werden durch Verordnung und Regeln hinreichend definiert. Letztlich entscheidet jedoch das Verhalten jedes Einzelnen, ob der Bau unfallfrei bleibt.