Barrieren wahrnehmen und überwinden

Mit zunehmendem Alter stoße ich in meinem Arbeitsalltag auf Barrieren. Softwareprogramme sind für meine Augen zunehmend in einer unlesbaren Schriftgröße. Zu viele Hinweis-, Gebots- und Verbortsschilder erschweren mir die Orientierung. Und Lautsprecherdurchsagen sind oft für meine Ohren unverständlich.

 

Doch wie mag es Menschen ergehen, die aufgrund von Unfällen oder Berufskrankheiten gesundheitliche Einschränkungen haben und damit in ihrem Arbeitsalltag an der Teilhabe eingeschränkt sind?

 

Begleiten Sie mich in meinem heutigen Blogbeitrag zu meinem Herzensthema Barrierefreiheit. Steigen Sie gedanklich in die Thematik ein und reflektieren Sie für sich: „Wo in Ihrem Arbeitsumfeld bestehen Barrieren? Besteht Handlungsbedarf, um barrierefreies Arbeiten zu ermöglichen? Und wie können Sie selbst dazu beitragen, um Barrieren gar nicht erst entstehen zu lassen.“ Los geht’s!

 

Schauen wir in die gesetzlichen Vorgaben! Wie wird „Barriere“ dort definiert?

Das Behindertengleichstellungsgesetz (§ 4 BGG) definiert „Barriere“ wie folgt:

Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.

 

Die Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR V3a.2) konkretisieren „Barrieren“ darüber hinaus mit einer zeitlichen Komponente: „Eine Behinderung liegt vor, wenn die körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder psychische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und dadurch Einschränkungen am Arbeitsplatz oder in der Arbeitsstätte bestehen.“

 

Reflexionsfrage: Barriere = Rollstuhl?!

Schnell denken wir an Rollstuhlfahrende, wenn wir von Barrieren reden. Doch Behinderungen sind vielfältig! Und jeder kann kurz-, mittel- oder langfristig von körperlichen Einschränkungen betroffen sein.

 

Nehmen Sie sich kurz Zeit und reflektieren Sie: „Welche körperlichen Beeinträchtigungen sind mir bisher in meinem Arbeitsumfeld begegnet?“

 

Sicherlich ist Ihnen der Kollege eingefallen, der nach einem Skiurlaub mit einem Gipsbein geheingeschränkt zurück an die Arbeitsstätte kam. Oder Ihnen ist das schwerfällige Treppensteigen Ihrer schwangeren Kollegin in Erinnerung. Oder Ihr älterer Zimmerkollege, der beim Lesen von Dokumenten erst die Lesebrille auf die Nase setzen muss.

 

Die ASR führt einige Beispiele der Arten von Behinderungen auf, die ich hier gerne aufführen möchte, um Ihnen ein Gefühl für die Vielfältigkeit der Einschränkungen zu geben: Gehbehinderung, Lähmung, Benutzung einer Gehhilfe (Rollstuhl oder Rollator), Kleinwüchsigkeit, Seheinschränkungen, Sehbehinderungen, blinde Beschäftigte, Sinneseinschränkungen, Schwerhörigkeit, Hörbehinderung, Krafteinbußen, Muskelerkrankungen, Einschränkungen der Hand-Arm-Motorik, Migräne, Autismus-Spektrum-Störungen und Hörbehinderung.

 

Wussten Sie, dass die Mehrzahl der Behinderungen durch eine Krankheit verursacht wurden? Nur 3 % der Behinderungen sind angeboren und 1 % sind auf einen Unfall oder eine Berufskrankheit zurückzuführen (gemäß Statistischem Bundesamt).

 

Woran Sie eine Arbeitsstätte mit wenigen Barrieren erkennen

Barrieren lassen sich dann beseitigen, wenn sie als solche wahrgenommen werden. Mit dem Wissen über die Definition von Barrierefreiheit können Sie nun überprüfen, ob Ihre Produkte, Dienstleistungen, bauliche Einrichtungen oder die Umgebung für Menschen mit Einschränkungen nutzbar sind.

 

Check-Up Fragen

„Sind PKW-Stellplätze für Menschen mit Behinderung vorhanden? Sind Bordsteine abgesenkt? Sind Rampen anstatt Treppen vorhanden? Sind Orientierungstafeln blendfrei, verständlich und auf Augenhöhe angebracht? Sind Flure und Türen ausreichend breit? Sind Bewegungsflächen vorhanden? Wie sind Sozialräume und Kantinen gestaltet? Sind Tassen und Bedienelemente wie zum Beispiel die Kaffeemaschine leicht zu erreichen? Können Fenster eigenständig geöffnet werden? Was ist zu tun wenn’s brennt? Sind Evakuiierungssysteme vorhanden und Räumungshelfer ausgebildet?“

 

Diese Gestaltungsprinzipien sind hilfreich

Wenn Sie nun zukünftig Barrieren vermeiden möchten, müssen Sie die folgenden vier unterschiedlichen Prinzipien berücksichtigen:

  • Wahrnehmbarkeit: „Ist da etwas?“
  • Erkennbarkeit: „Was ist da?“
  • Erreichbarkeit: „Kann ich zu dem Erkannten hingelangen?“
  • Nutzbarkeit: „Kann ich das Erreichte nutzen?“

 

Darüber hinaus gelten zwei weitere Elemente: Das Zwei-Kanal- und das Zwei-Sinne-Prinzip. So ist zum Beispiel die Nutzung eines Computers durch verschiedene Eingabegeräte (Tastatur, Sprache, Augensteuerung) zu ermöglichen und Informationen sind über mindestens zwei der drei Sinne „Hören, Sehen und Tasten“ zur Verfügung zu stellen.

 

Beschäftigt der Arbeitgeber Menschen mit Behinderungen, hat er die Arbeitsstätte so einzurichten und zu betrieben, dass die besonderen Belange dieser Beschäftigten im Hinblick auf Sicherheit und Gesundheitsschutz berücksichtigt werden. Nicht immer ist bekannt, ob Personen mit einer Behinderung anwesend sind. Deshalb unterstützen Sie bereits präventiv eine barrierefreie Arbeitsgestaltung.

 

Hier gibt’s Unterstützung und Informationen

Die besten Infos gibt’s natürlich von den „Experten“ selbst, den behinderten Beschäftigten vor Ort! Darüber hinaus unterstützten die Schwerbehindertenvertretung und das betriebliche Eingliederungsmanagement. Im Rahmen von regelmäßigen Begehungen können neue Erkenntnisse über aktuelle Entwicklungen herangezogen werden. Und natürlich: Die Fachkraft für Arbeitssicherheit und der Betriebsarzt stehen beratend zur Verfügung.

 

Gemeinsames Fazit

Seit ich mich mit dem Thema Barrierefreiheit befasse, bin ich wachsamer geworden, um Barrieren für mich und andere zu erkennen. Und um Abhilfe zu schaffen. Wie ist es Ihnen beim Lesen dieses Artikels ergangen? Werden Sie zukünftig Barrieren ansprechen? Haben Sie bereits erste Ideen im Kopf, die zur Vermeidung von Barrieren führen könnten?

 

Ich wünsche Ihnen in jedem Fall ein wachsames Auge und gutes Gelingen, bei Ihrem persönlichen Beitrag zur barrierefreien Gestaltung von Arbeitsplätzen. Inklusion geht uns alle an und jeder profitiert von hindernisfreiem Arbeiten.

 

Herzlichst,

 

Ihre

 

Anja Riederer

Informationen zur Autorin:

Anja Riederer

Freiberufliche Trainerin und Coach im Arbeitsschutz

www.ria-arbeitsschutz.com

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