Betrieblichen Arbeitsschutz rechtssicher gestalten

Menschen sind vor Unfällen oder gesundheitlichen Gefährdungen bei ihrer Arbeit zu schützen Diese Verpflichtung besitzt jeder Arbeitgeber

Wie Arbeitgeber den betrieblichen Arbeitsschutz rechtssicher gestalten können, ergibt sich einerseits aus den Vorgaben in Gesetzen, Verordnungen und Regeln, andererseits aus der eigenen Haltung des Arbeitgebers zum Wert des Lebens und der Gesundheit der Mitarbeitenden.

 

Vielleicht ist es sinnvoll, an dieser Stelle in Erinnerung zu rufen, dass der Arbeits- und Gesundheitsschutz einen Bezug zu Artikel 2 des Grundgesetzes besitzt, zu einem unserer Grundwerte des gesellschaftlichen Zusammenlebens: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“ Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) wird konkret hinsichtlich der Verpflichtung von Arbeitgebern. In § 618 BGB Absatz 1 heißt es: „Der Dienstberechtigte hat Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit so weit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet.“ Damit – als auch mit anderen Regelungen des BGB – erhält der Arbeitsschutz übrigens neben der arbeitsschutzrechtlichen eine zivilrechtliche Dimension, was bei Verstößen durchaus zu einer zweifachen Betrachtung des Sachverhalts führen kann.

 

Die arbeitsschutzrechtliche Grundlage ergibt sich aus § 3 Abs. 1 Satz 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG): „Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen
des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen.“ Wie Arbeitgeber den betrieblichen Arbeitsschutz rechtssicher gestalten, ergibt sich aus den weiteren Paragraphen, insbesondere aus §3 ArbSchG, in dem die Verpflichtung zur Gefährdungsbeurteilung festgeschrieben ist, und aus §6, der die Verpflichtung zur Unterweisung der Beschäftigten regelt. Mit diesen beiden Instrumenten, korrekt umgesetzt, ist ein wichtiger Schritt zu einem rechtssicheren und funktionierenden Arbeitsschutzsystem bereits vollzogen: Von einer Gefährdungsbeurteilung müssen Maßnahmen abgeleitet werden, die diese Gefährdungen minimieren, und Beschäftigte müssen vor Arbeitsantritt und fortlaufend unterwiesen werden, um sicher und gesund arbeiten zu können. Einzelne Verordnungen, etwa die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) oder die Gefahrstoffverordnung (GefStV), definieren daraufhin spezielle Geltungsbereiche. Die entsprechenden technischen Regeln, wie die Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR – bitte niemals „Arbeitsstättenrichtlinien“, die gibt es nicht!) oder die Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) beinhalten konkrete Empfehlungen oder Grenzwerte. Wenn man sich an diese hält, bewegt man sich immer auf rechtssicherem Terrain. Abweichungen sind jedoch, beispielsweise bei den ASR, durchaus möglich, wenn eine Gefährdungsbeurteilung der alternativen Lösung nicht entgegensteht.   

 

Damit ist das „Wie?“ im Arbeitsschutz, trotz aller inhaltlichen Komplexität der einzelnen Bereiche, ziemlich klar. Stellt sich nun die Frage nach dem „Wer?“. Grundsätzlich ist die Frage einfach zu beantworten: Die Verpflichtung zum Arbeitsschutz besitzt niemand anderes als der Arbeitgeber beziehungsweise seine juristischen Repräsentanten. Nach §3 ArbSchG ist es seine Pflicht, für eine geeignete Organisation des Arbeitsschutzes im Betrieb zu sorgen. Das kann in jedem Betrieb ganz individuell geschehen, basierend auf der Größe des Unternehmens, der Tätigkeiten und der damit verbundenen Gefährdungen. Wichtig dabei: Die Umsetzung von Maßnahmen, die sich aus der Gefährdungsbeurteilung ergeben, sowie das ständige Beobachten von gesundheitsrelevanten Themen im Betrieb, um entsprechend nachjustieren zu können.

 

Operativ kann der Arbeitgeber diese Verpflichtungen delegieren, es entbindet ihn jedoch grundsätzlich nicht von seiner eigenen Verpflichtung beziehungsweise Haftung: „Eine geeignete Arbeitsschutzorganisation besteht im Wesentlichen aus zwei Säulen. Auf der einen Seite steht die Verteilung der Aufgaben des Arbeitsschutzes in der sogenannten Linienorganisation mit einer Übertragung der Unternehmerpflichten auf ausgewählte Führungskräfte und Einbindung aller Mitarbeitenden in die Maßnahmen des Arbeitsschutzes. Auf der anderen Seite sind die Fachkraft für Arbeitssicherheit (Sifa) und die Betriebsärztin oder der Betriebsarzt zu nennen. Diese Fachleute beraten und unterstützen die Unternehmensleitung bei der betrieblichen Prävention und der menschengerechten Gestaltung der Arbeitsbedingungen“ [Klagge, Sicherheitsingenieur 10/2023]. Die Existenzgrundlage der Sicherheitsfachkräfte und der Betriebsärztinnen und -ärzte ist im Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) zu finden. In der DGUV Vorschrift 2 sind, darauf aufbauend, beispielsweise Betreuungszeiten geregelt, was insbesondere beim Einsatz externer Dienstleister eine wichtige Orientierungshilfe darstellt.

 

Arbeitgeber, die sich an all diese formalen Regelungen halten, dürften sich grundsätzlich im rechtssicheren Raum bei der Umsetzung ihrer Verantwortung bewegen und keine Geldbußen fürchten müssen, die bei Verstößen durchaus drohen können. Unfälle lassen sich auch bei einer vorbildlichen Arbeitsschutzorganisation unter Umständen nicht vermeiden – vermeidbare Unfälle aber können zu hohen Schadenersatzansprüchen der Geschädigten und teilweise sogar zu strafrechtlichen Konsequenzen führen. Denn: „Es gibt keine Verantwortung im Unternehmen ohne Haftung. Werden Arbeitsschutzpflichten schuldhaft verletzt und resultieren daraus Unfälle mit Sach- oder Personenschäden, zieht das regelmäßig die Haftung der Verantwortlichen mit sich“ [Klagge, Sicherheitsingenieur 3/2024].

 

Deshalb ist jeder Arbeitgeber gut angeraten, nicht nur die formalen Pflichten zu erfüllen, sondern auch dafür zu sorgen, dass sich das Bewusstsein für die Umsetzung sicherer und gesunder Arbeit in seinem Betrieb tief verankert. Die bewusste Manipulation von Schutzeinrichtungen, um Produktionsprozesse schneller zu machen, oder die Meldemoral von Unfällen und Beinahe-Unfällen sind nur zwei von zahlreichen wichtigen Indikatoren, wie es um den sogenannten „Safety Mindset“ im Betrieb bestellt ist. Eine gute Präventionskultur ist in den Gesetzen und Verordnungen nirgendwo explizit vorgeschrieben, doch um den betrieblichen Arbeitsschutz rechtssicher zu gestalten, ist sie unabdingbar. Denn die juristischen Konsequenzen für das Unternehmen und seine rechtlichen Vertreter können bei Ereignissen, die aufgrund eines fehlenden Sicherheitsbewusstseins eingetreten sind, erheblich sein. Ganz zu schweigen von den möglichen tragischen Auswirkungen auf Geschädigte und deren Familien.        

 

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