Bei einer Sicherheitsbegehung in einer Produktion erkennt die Fachkraft für Arbeitssicherheit in rund 15 Metern Entfernung einen Mitarbeiter ohne Schutzbrille beim Gefahrstoffe umfüllen. Die Fachkraft geht zum Mitarbeiter und spricht ihn freundlich auf sein unsicheres Verhalten an. Der Mitarbeiter setzt die Schutzbrille auf und teilt zugleich mit, dass er die Schutzbrille jedoch übertrieben findet, weil noch nie etwas passiert ist.
Solche Gespräche finden wahrscheinlich täglich in einigen Unternehmen statt, weil die Wahrnehmung von Risiken teilweise deutlich voneinander abweicht. Wenn in unserem Beispiel der Mitarbeiter seit Wochen, Monaten oder vielleicht sogar Jahren seine Schutzbrille nur selten trägt und noch kein Arbeitsunfall mit nachhaltigen Schäden aufgetreten ist, dann wird das eigentliche Risiko als geringer eingeschätzt. Dieser Zustand wird in der Wissenschaft auch als Verzerrung bezeichnet.
Diese Erkenntnis können sich Unternehmen mit ihren Geschäftsführern, Führungskräften sowie Sicherheitsingenieuren und Fachkräften für Arbeitssicherheit zu Nutzen machen. Um gut auf solche Gespräche vorbereitet zu sein, sollten die folgenden 4 Tipps beachtet werden.
1. Achten Sie auf Ihre Gedanken
Unsere Gedanken bestimmen unser Handeln. Umso wichtiger ist es, dass beispielsweise Gespräche nach Arbeitsunfällen und unsicheren Situationen neutral geführt werden. Das bedeutet, dass sich im Vorfeld nicht bereits eingeredet wird, dass der Mitarbeiter das Risiko hätte sehen müssen und somit absichtlich das Ereignis herbeigeführt hat.
2. Versetzen Sie sich in die Rolle des Anderen
Die eigene Wahrnehmung des Risikos muss nicht immer identisch mit die des Gesprächspartners sein. Deshalb sollten Gespräche ordentlich vorbereitet werden. Es lohnt sich im Vorfeld stets Fragen zu stellen, die mehr Klarheit über die Wahrnehmung des anderen bringen. In dem Beispiel mit dem Mitarbeiter, der ohne Schutzbrille Gefahrstoffe umfüllt, können es die folgenden Fragen sein:
- Wie lange arbeitet der Mitarbeiter schon an diesem Arbeitsplatz?
- Wurde der Mitarbeiter schon öfters ohne Schutzbrille erwischt?
- Ist ihm oder seiner Kollegen schon einmal ein Arbeitsunfall passiert?
Sollte er bereits häufiger ohne Schutzbrille gesehen worden sein und noch nie ein Arbeitsunfall erlebt oder miterlebt haben, dann ist die Wahrnehmung des Risikos sehr wahrscheinlich eine andere als bei Ihnen. Dementsprechend muss auch die Kommunikation angepasst werden.
3. Treffen Sie die richtigen Worte
Wenn Menschen eine geringe Wahrnehmung eines Risikos besitzen, dann sollte der Versuch von „Emotionen durch Angst“ verhindert werden, weil dieser Versuch in den Augen der Menschen als „weltfremd“ und „Panikmache“ gesehen wird. Es braucht hier einen anderen Weg der Kommunikation. Umso wichtiger ist es, die Sprache des Gegenübers zu sprechen und zu wissen, welche Zugänge sinnvoll genutzt werden können.
4. Positives Verhalten verstärken
Sobald Mitarbeiter sich sicherer verhalten, sollten Führungskräfte, Sicherheitsingenieure und Fachkräfte für Arbeitssicherheit diesen Zustand mit einem Lob positiv verstärken. Dieses Lob kann ein Daumen nach oben sein, oder auch eine Runde Getränke.
Die Kunst für Führungskräfte und Arbeitsschutz-Experten ist es, die eigene Wahrnehmung von Risiken nicht automatisch auf andere Menschen zu übertragen. Dadurch wird der Weg für eine ergebnisorientierte Kommunikation geäußert. Denn am Ende geht es darum, dass Mitarbeiter verstehen, warum sie zum Beispiel die Persönliche Schutzausrüstung tragen müssen. Ab diesem Moment beginnt Arbeitsschutz nachhaltig zu sein.
Zum Autor:
Stefan Ganzke
Experte für Sicherheitskultur und Kommunikation im Arbeitsschutz
WandelWerker Consulting GmbH
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